Interview mit Anne, Berliner Feuerwehr

„Alle Achtung!”

Kurze Vorstellung bitte: Wer sind Sie und was machen Sie?

Mein Name ist Anne, ich bin 43 Jahre alt, Mama von drei Kindern und engagiere mich seit fast 20 Jahren bei der freiwilligen Feuerwehr in Berlin-Neukölln.
 

Wie sind Sie zur freiwilligen Feuerwehr gekommen?

Ich bin 2002 in eine Wohnung schräg gegenüber von der Feuerwache Neukölln gezogen. Eine tolle Wohnung, aber der Lärm der ausrückenden Feuerwehrfahrzeuge war sehr anstrengend. Ausziehen wollte ich allerdings nicht. Also beschloss ich, einfach mal bei der Feuerwache vorbeizugehen und mir das aus der Nähe anzuschauen. Als dort Tag der offenen Tür war, bin ich hingegangen, habe mir die Wache angesehen und gefragt, ob ich mitmachen kann. Ich habe einige Monate an den Übungsabenden teilgenommen und wurde im Juli 2004 ins Team aufgenommen.

 

Was sind die Hauptqualifikationen, die Sie aus Ihrer Ausbildung mitgenommen haben?

Bei der freiwilligen Feuerwehr durchläuft jede und jeder eine Grundausbildung.  Ausbildungsinhalte sind: Brandbekämpfung, technische Hilfeleistung und Rettungsdienst. Außerdem erhalten wir eine Schulung zum Umgang mit psychisch belastenden Situationen.

Ergänzend habe ich mich zur Brandschutzerzieherin ausbilden lassen, das war mir sehr wichtig. Als Oberbrandmeisterin kann ich alles abdecken, was aktiv im Fahrzeug zu tun ist – nur fahren darf ich nicht, da ich keinen Lkw-Führerschein habe. Grundsätzlich habe ich viel über den Umgang mit Technik gelernt und mir handwerkliche Fähigkeiten angeeignet. Ich habe gelernt, Türen zu öffnen oder eine Wasserversorgung aufzubauen. Viel wichtiger ist mir aber der Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern. Durch den Kontakt mit den Menschen werden die sozialen Kompetenzen noch ausgebaut. Ein Training fürs Leben.

Welche drei Eigenschaften sollte jemand mitbringen, der*die Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau werden möchte?

Man sollte teamfähig, konfliktfähig und lernbereit sein.

 

Was finden Sie an Ihrer Tätigkeit toll?

Sie ist abwechslungsreich, denn kein Einsatz ist wie der andere. Es ist nicht immer die gleiche Gruppe, die da im Fahrzeug sitzt. Man kann viel voneinander lernen. Und wir kommen immer wieder in unterschiedliche Situationen und müssen schauen, wie wir adäquat reagieren. Das macht die Tätigkeit spannend.

 

Was macht eine gute Feuerwehrfrau oder einen guten Feuerwehrmann aus?

Neben dem inhaltlichen Wissen und den eben genannten Eigenschaften sind Empathie und Offenheit gegenüber anderen sehr wichtig. Die Diversität in der Gesellschaft wird immer größer. Hier gibt es in allen Bereichen der Gesellschaft noch viel zu lernen.

 

Feuerwehrleute werden leider immer wieder angegriffen, körperlich und mit Worten. Was haben Sie erlebt?

Tatsächlich bin ich bislang noch nie direkt angegriffen worden, aber ich habe schon kritische Situationen miterlebt. An Silvester zum Beispiel haben mehrere junge Männer mit einer Schreckschusspistole hantiert und man wusste nicht, ob es sich um eine echte Pistole handelte. Oft gibt es auch verbale Konflikte, die aus Unwissenheit entstehen. Zum Beispiel wird uns häufig gesagt, wir mögen doch bitte den Löschzug an der Seite parken, die Straße müsse frei bleiben.

 

Einsätze werden auch anderweitig immer mal wieder gestört. Haben sich aus diesen Störungen Konsequenzen für Betroffene (Unfallopfer etc.) ergeben?

Ich persönlich schaue jeden Tag und bei jedem Einsatz, dass wir das Beste daraus machen. Wir versuchen, uns möglichst nicht stören zu lassen und wenn wir gestört werden, zu erklären, warum wir gerade jetzt so handeln.

 

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie bei einem Einsatz körperlich oder verbal angegriffen werden?

Ich bin kurz irritiert und muss erst einmal verstehen, dass das jetzt gerade wirklich passiert. Denn das kann man sich normalerweise nicht vorstellen, dass da jemand aktiv Hilfskräfte angreift. Schließlich könnte die Person selbst einmal Hilfe brauchen. Auf die Überraschung folgt bei mir der Verteidigungsreflex. Ich muss mich schützen, meine Leute schützen. Wenn so ein Übergriff passiert, halten wir als Mannschaft ganz eng zusammen – in der Situation, aber auch danach. Bei der Einsatznachsorge wird alles besprochen und ausgewertet. Wir können immer aufeinander zählen, niemand wird mit so etwas alleingelassen.

 

Was müsste passieren, damit solche Störungen bei Einsätzen nicht mehr vorkommen?

Zunächst sind die Grundlagen wichtig, zum Beispiel die Brandschutzerziehung. Ich erkläre schon den Kleinsten, warum die Feuerwehr oder auch die Polizei wichtig ist und was ihre Einsätze gefährdet.

Ganz praktisch: Was hilft Ihnen, damit Sie anderen helfen können?

Es hilft uns am meisten, wenn wir ungestört arbeiten können. Das bedeutet Platz schaffen, nicht stören, nicht nachfragen. Fragen wie Was ist denn da passiert? oder Kann ich da jetzt noch schnell mal durch? stören unsere Arbeit. Häufig wollen uns Menschen aktiv unterstützen. Das ist nett gemeint, stört oft aber auch. Weiterhin appelliere ich: Bitte ruft die Feuerwehr nur, wenn es sich um eine akute, lebensbedrohliche Situation handelt, in der ihr sofort Hilfe benötigt. Wegen eines in den Gully gefallenen Schlüssels oder einer leichten Schnittverletzung braucht man die Feuerwehr nicht zu rufen.

 

Warum ist Respekt gegenüber der Feuerwehr wichtig?

Es ist wichtig, dass unsere Arbeit gesehen, wertgeschätzt und respektiert wird. Denn wir machen das nicht zum Selbstzweck, sondern wir helfen den Mitbürgerinnen und Mitbürgern, wir helfen der Gesellschaft. Um andere zu retten, würden wir unser Leben riskieren – es wäre schön, wenn das anerkannt werden würde. Der Respekt der Tätigkeit gegenüber ist im Übrigen auch wichtig für die Nachwuchsgewinnung.

 

Was würden Sie den Bürgerinnen und Bürgern in einem ruhigen Moment gerne sagen?

Ich würde ihnen gerne sagen, dass sie sich nicht scheuen sollen, in Notsituationen die Feuerwehr zu rufen. Dafür ist die Feuerwehr da, dafür ist auch die Polizei da. Gleichzeitig sollte man prüfen, ob man in der Situation nicht auch selbst eine Lösung finden kann. Bei verlorenen Schlüsseln hilft, wie gesagt, nicht die Feuerwehr, sondern die Hausverwaltung. Bei medizinischen Problemen reicht es manchmal, die Hausarztpraxis anzurufen. 

 

Wenn Sie sich etwas von den Bürgerinnen und Bürgern wünschen könnten, was wäre das?

Ich wünsche mir, dass die Bürgerinnen und Bürger besser einschätzen, was ein Notfall für die Feuerwehr und was ein Fall für eine andere Versorgungsstruktur ist.


Was waren die skurrilsten Sachen, zu denen Sie gerufen wurden?

Das mit dem Schlüssel im Gully ist tatsächlich schon vorgekommen. Der Anrufer dachte, wir heben den Deckel hoch und dann klettert jemand von uns runter und holt den Schlüssel.

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