Interview mit Jacob, Berliner Feuerwehr

„Alle Achtung!”

Kurze Vorstellung bitte: Wer Sind Sie, was machen Sie? 

Mein Name ist Jacob und ich arbeite seit September 2019 als Brandmeister bei der Berliner Feuerwehr auf der Feuerwache Steglitz. Gebürtig komme ich aus einem Ort an der Nordseeküste und bin vor einigen Jahren nach Berlin gezogen, um etwas Neues zu wagen.

Zum Verständnis: Ich bin Brandmeister und Rettungssanitäter. Das heißt, dass ich während meines Dienstes sowohl zu Bränden als auch zu medizinischen Notfällen gerufen werde. Die Berliner Feuerwehr ist sowohl für die Notfallrettung als auch für die Brandbekämpfung und die technische Hilfeleistung zuständig.

 

Wie sind Sie zur Feuerwehr gekommen und warum?  

Als ich nach der 11. Klasse mein Abitur abgebrochen habe, wusste ich erst mal nicht, was ich aus meinem Leben machen soll. Sowohl die Bereiche der Polizei als auch die der Bundeswehr waren welche, die für mich infrage kamen. Mit circa 17 Jahren bin ich in meinem Heimatort in die freiwillige Feuerwehr eingetreten, um mir von der Arbeit ein Bild zu machen. Als ich zum ersten Einsatz ausrückte, war das spektakulär. Daraufhin habe ich gesagt: Das will ich jeden Tag! Die Tätigkeit hat sich rasch zu einer Leidenschaft entwickelt.  

 

Kurz und knapp: Was sind die drei Hauptqualifikationen, die Sie aus Ihrer Ausbildung mitgenommen haben?  

Ich habe zwei Lehrgänge absolviert, und zwar zum sogenannten Trupp-Mann sowie zum Trupp-Führer. Hier wird man insbesondere in der Brandbekämpfung und der technischen Hilfeleistung geschult. Außerdem ist jede Feuerwehrfrau und jeder Feuerwehrmann Rettungssanitäterin oder -sanitäter beziehungsweise Notfallsanitäterin oder -sanitäter. Ich bin gelernter Rettungssanitäter. Darüber hinaus habe ich einen Lkw-Führerschein, um das Fahrzeug bewegen zu können.

Welche drei Eigenschaften sollte jemand mitbringen, der*die Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau werden möchte? 

Vor allem Kommunikationsfreude und -stärke. Das hat sich schon während meiner Ausbildung abgezeichnet und bestärkt sich jeden Tag. Während der Tätigkeit verbringt man viele Stunden mit seinen Kolleginnen und Kollegen, sie sind fast wie eine Familie. Außerdem ist es wichtig, dass wir uns blind vertrauen können. Wenn ich mit meiner Kollegin oder meinem Kollegen ins Feuer gehe, dann muss ich mich darauf verlassen können, dass sie oder er mich da im Notfall herausrettet.

 

Was finden Sie an Ihrem Job toll? 

Zum einen ist das die Abwechslung der Einsätze, zum anderen die Kolleginnen und Kollegen.

 

Was macht eine guten Feuerwehrfrau bzw. einen guten Feuerwehrmann aus 

Die Teamfähigkeit und die Fähigkeit zu akzeptieren, dass man nicht alles perfekt machen kann. Wir kommen aus vielen verschiedenen Bereichen und irgendwann weiß man, wer aus dem Team welche Stärken, aber auch welche Schwächen hat. Am Ende gilt es, untereinander die Schwächen auszugleichen und die Stärken zu stärken. Das ist eine schöne Sache, die das Beisammensein fördert.

 

Feuerwehrfrauen/-männer werden leider immer wieder angegriffen, körperlich und mit Worten. Was haben Sie erlebt? 

Ich erinnere mich an eine Situation, die erschreckend war. Wir sind vom Rettungsdienst und Notarzt mit unserem Löschfahrzeug zu einer Reanimation gerufen worden. Die Kolleginnen und Kollegen hatten bereits knapp eine Stunde lang reanimiert, wir sollten unterstützen. Im Nachhinein glaube ich, dass sie uns nicht nur zur Reanimationsunterstützung gerufen haben, sondern weil sie gemerkt haben, dass die Stimmung in der Wohnung angeheizt war. In solchen Fällen werden wir hin und wieder als Löschfahrzeug gerufen, um die Situation zu überblicken.

Als die Kolleginnen und Kollegen die Reanimation abbrechen wollten, fragten sie auch uns von der Feuerwehr, ob das in Ordnung sei. Es ist ein vorgeschriebener Ablauf, dass diese Frage allen anwesenden Rettungskräften im Raum gestellt wird. Und in diesem Fall auch mir als Mitglied des Teams. Alle im Raum waren sich einig, dass die Reanimation abgebrochen wird. Daraufhin wurde dies der Familie mitgeteilt – der Startschuss für eine turbulente Situation. Eine Person aus dem Familienkreis ist auf den Arzt zugegangen, stand nur wenige Zentimeter vor ihm und hat ihn angeschrien, dass er gefälligst weitermachen solle. Die Person hat sogar Gewalt angedroht. Ich stand daneben. Das war wirklich sehr unangenehm. Handgreiflich ist niemand geworden, aber kurzzeitig dachte ich, dass ich dazwischengehen und deeskalieren muss. Darauf habe ich mich auf jeden Fall eingestellt.

Solche Momente sind erschreckend, aber sowohl der Arzt als auch wir von der Truppe haben das Ganze nicht böse genommen. Wir haben uns im Nachhinein über die Situation unterhalten und waren uns einig, dass das für Angehörige eine absolute Ausnahmesituation ist und wir als Helferinnen und Helfer das auf der menschlichen Ebene nachvollziehen können. Wir versuchen, das professionell zu sehen und zu sagen: Okay, wir kennen solch eine Situation, viele andere, vor allem Betroffene, nicht.

Eine andere recht typische Sache ist, wenn wir bei einem Einsatz mit den Löschfahrzeugen an der Straße stehen und es eng ist, dass wir dann manchmal angepöbelt oder beschimpft werden.

 

Einsätze werden auch anderweitig immer wieder gestört. Haben sich aus diesen Störungen Konsequenzen für Betroffene (Unfallopfer etc.) ergeben? 

Der Klassiker ist, dass die Leute stehen bleiben und filmen oder einfach in unsere Einsatzstelle laufen. Damit blockieren sie mich bei der Arbeit. Außerdem erinnere ich mich an eine Situation am 1. Mai. Wir waren in einem sehr gefüllten Lokal, in dem eine Person am Boden gekrampft hat und sogar blau wurde. Mein Kollege und ich waren plötzlich allein mit der Person, weil die Polizisten noch etwas anderes zu tun hatten. Wie viele Menschen uns dann in der Situation fast auf den Patienten gefallen sind. Oder wie viele uns während unserer Arbeit angesprochen, auf die Schulter getippt und gefragt haben, was denn da nun los sei. Trotz der Ablenkung und Störung konnten wir der krampfenden Person helfen, da unser Fokus ganz bei ihr lag. Ich habe die Störungen zwar bemerkt, konnte sie aber ausblenden.

 

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie bei einem Einsatz körperlich oder verbal angegriffen werden? 

In solchen Momenten wie am 1. Mai, wenn ich etwas Konkretes zu tun habe, realisiere ich solch kleine Handlungen nicht. Ich blende sie aus, weil ich solchen Menschen keine Bühne bieten möchte. Das ist ebenfalls für meine Gefühlslage wichtig. Gleiches gilt auch für Menschen, die filmend in Einsatzstellen laufen. Das einzige Gefühl ist da die Fassungslosigkeit. In größeren Situationen mit zum Beispiel körperlicher Gewalt, denkt man schon anders darüber nach.

 

Was müsste passieren, damit solche Störungen bei Einsätzen nicht mehr vorkommen? 

Ich denke, dass solch eine Kampagne wie diese hier sinnvoll ist, weil man die Dinge offen anspricht. Außerdem müssten die Menschen selbst sich bewusst machen, dass jede einzelne Person in der Lage sein kann, auf Hilfe angewiesen zu sein. Es ist niemand ausgenommen. Jeder und jedem kann etwas passieren, Menschen, die in Wohnungen hocken, Menschen, die viel unterwegs sind mit dem Auto, und, und, und ...

Ganz praktisch: Was hilft Ihnen, damit Sie anderen helfen können? 

Ich muss eine Sinnhaftigkeit in meiner Tätigkeit sehen.

 

Warum ist Respekt gegenüber der Feuerwehr wichtig? 

Ich unterteile Respekt in zwei verschiedene Arten. Zum einen der Respekt uns als Menschen gegenüber. Wie geht man mit uns um? Wie tritt man uns gegenüber? Hier gehört dazu, dass man uns zum Beispiel nicht beleidigt. Und dann gibt es den Respekt vor unserer Zeit und Tätigkeit. Man sollte sich überlegen, für welche Fälle man uns ruft. Ob es wirklich eine akute und lebensbedrohliche Angelegenheit ist, für die wir ausrücken sollen. Und da fehlt es manchmal an Respekt. Man muss bedenken, dass wir für jede Alarmierung mit Sonderrechten durch die Stadt fahren, wobei ich als Fahrer zum Beispiel ein höheres Risiko habe, einen Unfall zu haben.

Respekt ist wichtig, denn wir riskieren zwar nicht täglich unser Leben – das ist wirklich ganz, ganz selten –, aber wir riskieren unsere Gesundheit, um Menschen in einer Notlage zu helfen. Natürlich werden wir dafür bezahlt und haben uns für diesen Job entschieden. Trotzdem haben wir auch private Entbehrungen: Wir können an vielen Dingen wie Silvester oder Weihnachten oft nicht teilnehmen, weil wir arbeiten. Man soll uns dafür nicht auf ein Podest heben. Das wollen wir gar nicht. Aber man soll uns bitte nur dann rufen, wenn es ein Notfall ist und uns dann bitte auch nicht angehen oder beleidigen.

 

Was würden Sie den Bürgerinnen und Bürgern in einem ruhigen Moment manchmal gerne sagen? 

Bitte schafft ein Bewusstsein dafür, dass wirklich jede und jeder von jetzt auf gleich in eine lebensbedrohliche Situation geraten kann und dringend Hilfe benötigt. Bitte hinterfragt euch dann: Wenn ihr in dieser Situation wärt, würdet ihr dann dabei gefilmt werden wollen? Würdet ihr das gut finden? Wollt ihr, dass diejenigen, die euch zu retten versuchen, behindert werden?

 

Konkret: Wenn Sie sich etwas von den Bürgerinnen und Bürgern wünschen könnten, was wäre das? 

Ich wünsche mir, dass jede und jeder sich bewusst macht, dass man die Feuerwehr wirklich nur im Notfall anruft. Wir wollen für Menschen da sein, die in Lebensgefahr schweben und unsere Hilfe benötigen. Das sind Situationen, für die wir ausgebildet sind.

Mehr zum Thema

Anne über Respekt bei der Arbeit

Berufsgruppe Feuerwehr