Interview mit Tanja, DLRG

„Alle Achtung!”

Kurze Vorstellung bitte: Wer sind Sie und was machen Sie?

Ich bin Tanja, 47 Jahre alt und seit 1996 in Berlin, im Bezirk Spandau, als Rettungsschwimmerin bei der DLRG aktiv.

 

Wie sind Sie dazu gekommen und warum?

Ich bin schon immer gerne geschwommen, und nach dem Abitur habe ich einen Aushang gesehen. Ich war dann bei einem Infoabend der DLRG und habe beschlossen, da mitzumachen. Zunächst absolvierte ich das Rettungsschwimmabzeichen in Bronze, dann in Silber.

 

Kurz und knapp: Was sind die drei Hauptqualifikationen, die Sie aus Ihrer Ausbildung mitgenommen haben?

Das ist zum einen das Tauchen. Ich habe mich bei der DLRG zur Einsatztaucherin qualifiziert. Und dann die Ausbildung zur Wachdienstleiterin. Da kann ich die Führung auf der Rettungsstation übernehmen und muss ganz unterschiedliche Menschen entsprechend ihrer Qualifikation einsetzen. Und als Bootsführerin habe ich ganz viel darüber gelernt, wie man ein Boot steuert und was man dabei beachten muss.

Welche drei Eigenschaften sollte eine Person mitbringen, die als Rettungsschwimmerin oder Rettungsschwimmer aktiv sein möchte?

Auf jeden Fall natürlich die Freude am Schwimmen oder am Wasser. Sie oder er muss nicht die Superschwimmerin oder der Superschwimmer sein, aber sich gerne im Wasser bewegen. Wichtig sind auch die Bereitschaft, sich fortzubilden, und die Teamfähigkeit.

 

Was finden Sie an Ihrem Hobby toll?

Tatsächlich vor allem die Gemeinschaft, denn wir haben sehr viele Menschen dabei, mit denen ich gerne die Wochenenden verbringe. Außerdem die Möglichkeit zu helfen und die Dankbarkeit, die ich im Nachgang erfahre – zum Beispiel, wenn wir einen Segler wieder aufgerichtet haben, der es allein nicht geschafft hätte. Oder die Schwimmerin, die dann doch ermattet und froh ist, dass man ihr zur Seite steht. Oder auch die Verletzten, bei denen wir das Bindeglied zur Feuerwehr sind, dadurch, dass wir bereits vor Ort sind und schon mal erste Maßnahmen einleiten können.

 

Was macht einen guten Rettungsschwimmer oder eine gute Rettungsschwimmerin aus?

Die Freude an dem Hobby und die Bereitschaft, sich einzulassen und auch wirklich einen Teil der Wochenenden damit zu verbringen. Ich sag immer: Es ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Und damit eben ein zeitlich intensives Hobby.

 

Einsatzkräfte werden leider immer wieder angegriffen, körperlich und mit Worten. Was haben Sie als Rettungsschwimmerin schon erlebt?

Tatsächlich werden auch wir manchmal angegriffen, oft in Situationen, in denen wir eigentlich helfen oder auf Gefahren aufmerksam machen möchten. Ein Thema sind zum Beispiel Partys am Strand, wo dann auch Alkohol fließt und eventuell zu Zeiten von Waldbrandgefahr gegrillt wird. Das hat immer Konfliktpotenzial. Ich persönlich bin bislang noch nicht körperlich angegriffen worden. Ich hatte Glück und konnte solche Situationen bislang durch geschickte Gesprächsführung und Abstandhalten in den Griff bekommen. Verbale Angriffe kommen aber immer wieder mal vor, und da versuche ich, mich deeskalierend zu verhalten. In all diesen Situationen hilft die Gemeinschaft. Wir unterstützen uns im Team gegenseitig, und alle haben unterschiedliche Qualitäten. Manche können besser reden, andere machen einfach durch ihre Statur Eindruck. Wenn diese Personen sich hinstellen und sagen: „So, jetzt ist Schluss.“, dann hat das eine gewisse Wirkung.

 

Einsätze werden auch anderweitig immer wieder gestört. Haben sich aus diesen Störungen Konsequenzen für Betroffene (Unfallopfer etc.) ergeben?

Wir bauen dann einen Sichtschutz auf und informieren die Polizei, die dann Platzverweise verteilt oder dafür sorgt, dass Videos gelöscht werden. Denn es kommt leider auch vor, dass Leute die Betroffenen und Rettungsmaßnahmen filmen. Ich habe schon das Gefühl, dass es mehr geworden ist mit dem Gaffen und dass viele Leute auch ein bisschen gleichgültiger geworden sind. Im letzten Jahr hatten wir einen Einsatz, als der Strand sehr voll war. Die Polizisten fingen an, die Leute wegzuschicken, und dabei gab es viele Diskussionen. Viele haben diskutiert und wollten weiterhin schwimmen. Das ist schon sehr respektlos gegenüber den Verunfallten und deren Angehörigen.

 

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie bei einem Einsatz körperlich oder verbal angegriffen werden?

Bei aller Professionalität fühle ich mich schon angegriffen. Aber wenn ich eine konkrete Aufgabe habe, dann bekomme ich das oft auch gar nicht so mit, weil ich zu sehr auf die Aufgabe fokussiert bin. Ich habe inzwischen auch ganz gut gelernt, so was auszublenden.

 

Was müsste passieren, damit solche Störungen bei Einsätzen nicht mehr vorkommen?

Ich denke, das Bewusstsein und der Respekt gegenüber anderen müssten wieder stärker hergestellt werden. Dass da jemand sitzt und sagt: „Ich will aber bleiben und weiterhin Spaß haben“, während jemand anders vielleicht gerade eine traurige Nachricht bekommen hat, das finde ich schlimm, und ich denke, da sollte es mehr Verständnis geben.

Ganz praktisch: Was hilft Ihnen, damit Sie anderen helfen können?

Mir hilft einmal meine Qualifikation – dass ich aufgrund meiner Ausbildung weiß, welche Abläufe vorgesehen sind. Durch die vielen Übungen haben wir die auch automatisiert. Und dann hilft mir die Energie der Gemeinschaft – der Kontakt zu meinen Kameradinnen und Kameraden. Gerade nach Einsätzen ist der Austausch mit ihnen sehr wichtig. Dann besprechen wir, was gut gelaufen ist und was nicht so gut geklappt hat. Und auch der Kontakt zu anderen Organisationen wie Polizei und Feuerwehr hilft immer sehr, wenn zum Beispiel die Polizei die Wege frei macht oder Absperrungen vornimmt.

 

Warum ist Respekt gegenüber Rettungskräften wichtig?

Er ist wichtig, weil wir auch Menschen sind. Ich habe zwar vorhin gesagt, dass ich Angriffe ganz gut ausblenden kann, aber trotzdem kann es natürlich sein, dass mich der elfte oder zwölfte dann doch plötzlich trifft. Und das kann dann dazu führen, dass ich mich frage, ob ich dieses Hobby überhaupt noch weiterführen will. Und das wäre schade, denn die Arbeit der Rettungsschwimmerinnen und Rettungsschwimmer ist ein wichtiges Ehrenamt.

 

Wie wirkt sich der Mangel an Respekt auf die Arbeitsweise der Rettungskräfte aus?

Bei dem einen oder der anderen könnten Zweifel entstehen, ob sie oder er das überhaupt weitermachen möchte.

 

Was würden Sie den Bürgerinnen und Bürgern in einem ruhigen Moment manchmal gerne sagen?

Ich würde ihnen sagen, dass sie uns als Menschen wahrnehmen sollten. Und dass sie uns im Einsatzfall machen lassen und nicht nachfragen oder stören. Natürlich können sie uns gerne ansprechen – aber bitte nicht, wenn gerade ein Einsatz läuft.

 

Konkret: Wenn Sie sich etwas von den Bürgerinnen und Bürgern wünschen könnten, was wäre das?

Ich würde mir wünschen, dass öfter mal einfach ein Danke kommt. Oder ein Lächeln, denn Dankbarkeit muss ja nicht immer das ausgesprochene Wort sein. Es reicht auch schon ein anerkennendes Nicken, ein Freundlich-auf-einen-Zukommen – oder ein Gespräch. Wenn jemand auf mich zukommt und sagt, sie oder er möchte etwas über meine Arbeit erfahren, dann erzähle ich gerne davon. Natürlich nicht während eines Einsatzes, aber sonst immer gerne.

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